Netzentgelte machen aktuell rund 20 bis 25 Prozent des Strompreises aus. Für Solaranbieter spielen sie daher eine wichtige Rolle, um zu beurteilen, wie wirtschaftlich und attraktiv sie ihre Photovoltaikanlagen vertreiben können. Wir erklären verständlich, wie sich die Netzentgelte für Strom zusammensetzen, welche regionalen Unterschiede es gibt und warum auch in 2024 die Entgelte weiter gestiegen sind.
Das Wichtigste in Kürze 📌
Netzentgelte sind Gebühren, die Stromverbraucher für die Nutzung des Stromnetzes zahlen. Sie decken die Kosten für Betrieb, Wartung und Ausbau der Stromnetze ab. Netzbetreiber erheben diese Entgelte, um die Infrastruktur zu finanzieren, die den Transport von Strom vom Erzeuger zum Verbraucher ermöglicht.
Dabei ist das Stromnetz in Deutschland in Übertragungs- und Verteilnetz aufgeteilt:
Übertragungsnetzentgelte: Die Übertragungsnetzentgelte finanzieren den Stromtransport über weite Strecken. Es gibt vier große Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland, die jeweils für einen bestimmten geografischen Bereich zuständig sind. Seit 2023 gelten diese Netzentgelte bundesweit einheitlich.
Verteilnetzentgelte: Die Verteilnetzentgelte beinhalten die Übertragungsnetzentgelte und variieren regional. In Deutschland gibt es rund 900 Verteilnetzbetreiber, die ihre Netzentgelte – im Rahmen von gesetzlichen Vorgaben – selbst bestimmen. Einfluss auf die Entgelte haben unter anderem die Kosten für Ausbau und Instandhaltung der Infrastruktur sowie die Bevölkerungsdichte.
Die Netzentgelte machen einen erheblichen Teil der Stromkosten aus und werden auf den Stromrechnungen der Verbraucher separat ausgewiesen. Sie sind in den letzten Jahren stetig gestiegen – hauptsächlich aufgrund der Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende und des damit verbundenen Netzausbaus.
Übrigens: Auch für Gas fallen Netzentgelte an. Sie folgen ähnlichen Prinzipien wie im Strombereich. Gasnetzbetreiber erheben diese Entgelte, um die Kosten für die Bereitstellung und Instandhaltung der Gasinfrastruktur zu decken. Allerdings unterscheiden sich die konkreten Berechnungsgrundlagen und Regularien im Vergleich zu den Stromnetzen.
Die Netzentgelte für Strom setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: einem verbrauchsabhängigen Arbeitspreis (in Cent pro Kilowattstunde) und einem festen Grundpreis (in Euro pro Jahr). Dabei unterscheiden sich die Netzentgelte für Privathaushalte und Industrie. Große industrielle Verbraucher profitieren von Sonderregelungen und Rabatten, die ihre Netzentgelte reduzieren. Diese Vergünstigungen sollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen sichern und Arbeitsplätze erhalten.
Die Netzentgelte-Berechnung erfolgt in 3 Schritten:
Schritt 1️⃣: Ermittlung der Gesamtkosten für Betrieb und Ausbau des Stromnetzes durch den Netzbetreiber
Schritt 2️⃣: Verteilung dieser Kosten auf die verschiedenen Netzebenen und Kostenträger
Schritt 3️⃣: Umrechnung der Kosten in einen Arbeits- und Leistungspreis unter Berücksichtigung der erwarteten Netznutzung
Die Berechnung der Netzentgelte für Strom ist gedeckelt. Die Bundesnetzagentur und Landesregulierungsbehörden legen jährlich eine Erlösobergrenze fest, die die maximale Summe bestimmt, die Netzbetreiber durch die Entgelte einnehmen dürfen. Diese Obergrenze berücksichtigt Kosten für Betrieb, Unterhalt und Investitionen in den Netzausbau.
Die Netzentgelte für Strom werden von den Stromkunden an die Stromlieferanten gezahlt. Diese wiederum leiten die Einnahme an die zuständigen Netzbetreiber weiter. Ausnahmen bilden große Industriekunden. Durch ihren hohen Verbrauch sind sie in der Regel an das Mittel- oder Hochspannungsnetz (Privathaushalte: Niederspannungsgesetz) angeschlossen und haben einen eigenen Netzanschluss. Sie beziehen ihren Strom daher direkt vom Netzbetreiber und führen die Netzentgelte auch direkt an den Verteilnetzbetreiber ab.
Die Netzentgelte in Deutschland weisen große regionale Unterschiede auf. Verbraucher in Norddeutschland und Ostdeutschland zahlen in der Regel deutlich höhere Netzentgelte als im Süden und Westen des Landes.
Der Hauptgrund dafür ist der dort umfassende Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Windkraft. Um den Strom aus diesen Anlagen in die Verbrauchszentren zu transportieren, müssen die Netze erheblich ausgebaut und verstärkt werden. Die Kosten dafür werden von den regionalen Netzbetreibern über die Netzentgelte an die Verbraucher weitergegeben. Hinzu kommt: Der Norden und Osten von Deutschland sind dünner besiedelt. Das führt zu höheren Kosten pro Kunde für den Unterhalt und Betrieb der Leitungen.
Um die regionalen Unterschiede auszugleichen, plant die Bundesnetzagentur eine Reform der Netzentgelte. Auf diese Weise will sie die finanzielle Belastung durch den Ausbau erneuerbarer Energien gerechter auf alle Bundesländer verteilen.
In der Praxis will die Bundesnetzagentur dafür betroffene Netzbetreiber durch eine bundesweite Umlage entlasten. Dabei soll die Umlage nach § 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) von 0,403 ct/kWh auf 1,008 ct/kWh wachsen. Aktuell ist es geplant, die Netzentgelte-Reform im dritten Quartal 2024 zu beschließen. Mit einer Umsetzung dieser ist dann frühestens im Januar 2025 zu rechnen.
Dynamische Netzentgelte orientieren sich an der maximal bezogenen Leistung – anstatt an der reinen Energiemenge. Das schafft finanzielle Anreize für Verbraucher, ihren Stromverbrauch systemdienlich zu gestalten und Spitzenlasten zu vermeiden. Auf diese Weise könnten Verbraucher ihre Stromkosten senken.
In der Praxis gibt es variable Netzentgelte bisher jedoch nicht. Denn: Die Bundesnetzagentur stuft diese zwar als eine Option ein, konkrete Pläne zur Einführung gibt es aber nicht. Das könnte auch daran liegen, dass der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die Einführung dynamischer Netzentgelte ablehnt. Sie sieht diese als nicht zielführend an.
Bis 2020 (für Bestandsanlagen mit Inbetriebnahme vor 2018) bzw. 2023 (für neue Kraftwerke mit Inbetriebnahme nach 2018) konnten Verbraucher noch durch sogenannte vermiedene Netzentgelte ihre Stromkosten senken. Vermiedene Netzentgelte waren eine Vergütung, die Betreiber von Solaranlagen und Windkraftanlagen erhielten, wenn sie Strom in das öffentliche Netz einspeisten. Der Grund: Eine dezentrale Erzeugung führte dazu, dass Verbraucher weniger Strom aus dem vorgelagerten Netz beziehen mussten, was zu einer Verringerung der Netzentgelte führte. Mittlerweile ist diese Vergütung jedoch abgeschafft.
Die Entwicklung der Netzentgelte für Strom zeigt einen klaren Anstieg über die Jahre. Dabei sind jedoch nicht nur die Netzentgelte teurer geworden. Auch die Kosten für Steuern, Abgaben, Umlagen, Beschaffung und Vertrieb sind gestiegen. Die Netzentgelte 2023 lagen durchschnittlich bei 9,52 ct/kWh.
Allerdings gab es teilweise deutliche regionale Unterschiede. Am höchsten waren die Netzentgelte 2023 in Schleswig-Holstein. Verbraucher zahlten dort durchschnittlich 595 EUR allein für den Netzbetrieb. Ähnlich fielen die Netzentgelte für die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aus.
Die bisherige Netzentgelte-Entwicklung mit nahezu jährlich steigenden Preisen setzte sich auch in diesem Jahr fort. So liegen die Netzentgelte 2024 in Deutschland durchschnittlich bei 11,53 ct/kWh. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Wert also um ca. 21 Prozent gestiegen. (Stand 07/2024)
Mitverantwortlich dafür ist der Wegfall der Subventionen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Die bundesweit einheitlichen Übertragungsnetzentgelte verdoppelten sich daher auf 6,43 ct/kWh. Zwar wurde die Erhöhung nur teilweise an die Verbraucher weitergegeben, der Strompreis stieg aber weiter an.
Netzentgelte beeinflussen nicht nur die Wirtschaftlichkeit von Solaranlagen, sondern auch technische Aspekte der Installation und Integration ins Stromnetz. Solarteure müssen daher stets über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Netzentgelte informiert sein, um ihre Kunden optimal beraten und wettbewerbsfähige Angebote erstellen zu können.
Um dabei den gesamten Prozess – von Beratung über Verkauf bis hin zur Installation – schlank zu gestalten, können Solaranbieter auf Reonic setzen. Die Software unterstützt Solarteure, Heizungsbauer und Stadtwerke dabei, die Planung und Abwicklung des Vertriebs von PV-Anlagen und Wärmepumpen übersichtlich und maximal effizient umzusetzen.